Stellungnahme des VCA e.V. zum Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften (Cannabisgesetz – CanG)

Vorbemerkung

Der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken möchte sein Bedauern zum Ausdruck bringen, dass unsere Vorschläge aus unserer Stellungnahme vom 24.07.2023 im Gesetzentwurf des CanG nicht berücksichtigt wurden. Aus diesem Grund kommen wir Ihrer Einladung nach, eine weitere schriftliche Stellungnahme einzureichen und nehmen auch an der mündlichen Anhörung am 06.11.2023 teil. In dieser Stellungnahme werden wir nur die wichtigsten Punkte aufgreifen, in der Hoffnung, dass diese Punkte Eingang in das CanG finden. Unsere ausführliche Stellungnahme liegt Ihnen vor.

Grundsätzliches

Insgesamt geht der Entwurf an vielen Stellen in die richtige Richtung und schafft Erleichterungen für die Versorgung mit Medizinalcannabis. Der VCA begrüßt insbesondere die Herausnahme von Cannabis zu medizinischen Zwecken aus dem BtMG (Betäubungsmittelgesetz) und die damit einhergehenden Erleichterungen durch den Wegfall von Anforderungen an Dokumentation und Lagerung.

Ebenfalls begrüßen wir die bessere Unterscheidung von Cannabis als Genussmittel und Medizinal-Cannabis durch die Einführung des Begriffes „Cannabis zu medizinischen Zwecken“.

Eine scharfe Trennung von “Cannabis zu medizinischen Zwecken” von “Cannabis” (=Genusscannabis) ist für die Gesundheitsförderung und den öffentlichen Diskurs sehr wichtig.

Wir begrüßen auch die Streichung des Wortes „nur ausnahmsweise“ zu medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken im §4 „Erlaubnispflicht“ Absatz 2. Gezielte Forschung und öffentliche Forschungsförderung für die Anwendungsmöglichkeiten von Cannabis zu medizinischen Zwecken ist ein entscheidender Punkt, um die Wissenslücken weiterhin zu schließen. Für evidenzbasierte Medizin ist Forschung die Grundlage. Wir haben noch lange nicht alle Möglichkeiten der medizinischen Anwendung von Medizinal-Cannabis ausgeschöpft.

Wir bedauern es sehr, dass im § 24 „Kinder- und Jugendschutz im öffentlichen Raum“, Patientinnen und Patienten immer noch mit Konsumentinnen und Konsumenten gleichgestellt werden.

Stellungnahme

Artikel 2 (MedCanG)

Gesetz zur Versorgung mit Cannabis zu medizinischen und medizinisch-wissenschaftlichen Zwecken (Medizinal-Cannabisgesetz – MedCanG)

Zu § 2 Begriffsbestimmungen

Im Sinne der eingangs erörterten Notwendigkeit zur klaren Differenzierung zwischen Cannabis zu medizinischen Zwecken und Genusscannabis, aber auch zum Gesundheitsschutz von Patientinnen und Patienten, die Medizinal-Cannabis inhalieren, fordert der VCA eine klarere Begriffsbestimmung von Cannabis zu medizinischen Zwecken. Der für Inhalationspräparate geltende Arzneibuchstandard Ph. Eur. 5.1.8. B, der auch für Hersteller in Deutschland vorgeschrieben ist, wird derzeit noch von einigen Importeuren unterlaufen. Ebenso bieten manche Hersteller ihre Produkte nur kurzzeitig und oft mit Angabe nicht-medizinischer Kultivarnamen (“Strains”) am Markt an, was dem Grundsatz der Therapie von Ärztinnen und Ärzten und ihren oft langfristig eingestellten Patientinnen und Patienten widerspricht.

Der VCA fordert daher, dass nur wirklich für den medizinischen Einsatz sinnvolle Produkte, die langfristig verfügbar, hochstandardisiert und nach dem Arzneibuchstandard Ph. Eur. 5.1.8. B hergestellt wurden, als Medizin definiert und verschrieben werden dürfen. Entsprechend ist § 2,1 wie folgt zu ergänzen:

“Cannabis zu medizinischen Zwecken: Pflanzen, Blüten und sonstige Pflanzenteile der zur Gattung Cannabis gehörenden Pflanzen, die aus einem Anbau stammen, der zu medizinischen Zwecken unter staatlicher Kontrolle gemäß den Artikeln 23 und 28 Absatz 1 des Einheits-Übereinkommen von 1961 über Suchtstoffe in der Fassung der Bekanntmachung vom 4. Februar 1977 (BGBl. II S. 111) erfolgt, die ferner den Qualitätsvorschriften der Europäischen Arzneibuch Monographie Ph. Eur. 5.1.8. B entsprechen und vom Hersteller für mindestens 24 Monate ab erster Vermarktung in unveränderter Beschaffenheit angeboten werden, sowie die in der Pflanze vorkommenden Inhaltsstoffe nach Nummer 2 und 3 und die Zubereitungen aller vorgenannten Stoffe."

Zu § 3, Abgabe und Verschreibung von Cannabis zu medizinischen Zwecken

Der VCA unterstützt ausdrücklich, dass Cannabis zu medizinischen Zwecken weiterhin nur von Apotheken abgegeben werden darf, da diese aufgrund apothekenrechtlicher Vorschriften überwacht werden und die entsprechende Sachkunde im Umgang mit Arzneimitteln und Suchtstoffen nachgewiesen haben. Zudem verfügt das pharmazeutische Personal über das notwendige Fachwissen, um Patientinnen und Patienten hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu beraten, Risiken zu erkennen und darüber zu informieren.

Die Erstattung von Medizinal-Cannabis gemäß § 31 Abs. 6 Satz 2 SGB V erfordert die Zustimmung der gesetzlichen Krankenkassen. Dieser Prozess ist äußerst bürokratisch. Die Entscheidungskriterien für die Genehmigung sind unklar, einschließlich der Definition von "schwerwiegenden Erkrankungen" und des Status der Patientinnen und Patienten als “austherapiert”. Dies führt zu Unsicherheiten, behindert den Zugang zu medizinischem Cannabis und erhöht den bürokratischen Mehraufwand durch Widerspruchs- und Gerichtsverfahren.

Besonders problematisch ist die implizite Nachrangigkeit der Verordnung und Erstattung von getrockneten Cannabisblüten für die inhalative Anwendung. Die schnelle Wirkstoffaufnahme durch Inhalation ist für viele Anwendungen erforderlich, die durch andere cannabinoidhaltige Fertigarzneimittel oder orale Cannabisextrakte nicht erreicht werden kann. Viele Patientinnen und Patienten müssen ihre Cannabistherapie aufgrund hoher Ablehnungsquoten der gesetzlichen Krankenkassen selbst finanzieren. Das führt bei chronischen Erkrankungen zu Problemen, und treibt Patientinnen und Patienten in die weniger bürokratisch erreichbare medizinisch unbegleitete Selbstmedikation mit Freizeitcannabis, dessen Qualität nicht kontrolliert wird und erhebliche Gesundheitsrisiken für die Patientinnen und Patienten birgt. Eine fachkundige Begleitung durch medizinisches und pharmazeutisches Personal ist bei der Cannabistherapie allerdings essenziell.

Um diesen Ungleichgewichten entgegenzuwirken und Hürden abzubauen, fordert der VCA die Abschaffung des Genehmigungsvorbehalts der Krankenkassen für die Kostenübernahme von ärztlich verordneten Therapien mit Cannabisarzneimitteln bei gleichzeitigem Regressschutz für Ärztinnen und Ärzte.

Die Regierung hat jüngst mit dem Wegfall des Genehmigungsvorbehalts für bestimmte Facharztgruppen (Antrag an den G-BA zur Erstellung einer entsprechenden Liste) die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit medizinischem Cannabis dort beschleunigt, wo Missbrauch sehr unwahrscheinlich ist. Dies sehen wir sehr kritisch, da es schon jetzt im deutschen Gesundheitssystem generell sehr schwer ist, zeitnahe Facharzttermine zu erhalten und nur mit Wartelisten gearbeitet wird. Die Möglichkeit eines erleichterten Zugangs zu einer Cannabistherapie durch ausgewählte Fachärzte würde demnach lange Wartezeiten für kranke Menschen mit sich bringen. Daher fordern wir, bei der Auswahl von Ärztinnen und Ärzten nicht die Fachrichtung in Verbindung mit einer entsprechenden Qualifikation festzulegen, sondern sich rein auf die Qualifikation der Verordnenden zu fokussieren. Dies hätte den Vorteil, dass auch bereits erfahrene und somit qualifizierte Allgemeinmediziner Patientinnen und Patienten mit Medizinal-Cannabis versorgen könnten. Erfahrungen konnte man bereits durch den AOK Nordrhein/Hamburg-Selektivvertrag gewinnen, an dem man sich orientieren könnte.

Der VCA schlägt konkret vor, den folgenden Punkt unter § 3 Abgabe und Verschreibung von Cannabis zu medizinischen Zwecken zu ergänzen:

"(3) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt einen Standard für die Qualifikation von Ärztinnen und Ärzten fest, welcher durch das Bestehen einer Prüfung nachzuweisen ist, bei denen jeweils der Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen bei der erstmaligen Verordnung von Cannabis entfällt.”

Zusätzlich sollten statt einer Festlegung von Facharztgruppen besser Indikationen und die Qualifikation der Verordnenden festgelegt werden, bei denen Cannabis zu medizinischen Zwecken ohne Genehmigungsvorbehalt verschrieben werden darf.

Zu § 4, Erlaubnispflicht

Der Gesetzgeber und Regulierungsbehörden haben wiederholt die lückenhafte Forschungslage zu Cannabis als Medizin beklagt. Gleichzeitig lassen sich auf Pflanzen keine Patente erwirken und die Unternehmen im Bereich Medizinal-Cannabis haben lange nicht die Größe und Entwicklung erreicht, die für Studien vergleichbar mit denen der etablierten forschenden Pharmakonzerne nötig wären. Da diese Lücke seit 2017 nicht geschlossen werden konnte und auf absehbare Zeit durch marktwirtschaftliche Strukturen nicht geschlossen werden wird, ist es im Interesse der öffentlichen Gesundheit, die staatliche Forschungsförderung zu Medizinal-Cannabis deutlich auszubauen - dieser Ansatz fehlt bisher im Gesetzentwurf.

Der VCA fordert daher eine gezielte öffentliche Forschungsförderung für die Anwendungsmöglichkeiten von Cannabis zu medizinischen Zwecken. Folgende Fördermaßnahmen nach Punkt 2 sollte ergänzt werden:

(1) Einrichtung eines nationalen Förderprogramms durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Bundesministerium für Gesundheit für die Grundlagen und Wirkungs- und Nebenwirkungsforschung von Cannabis zu medizinischen Zwecken

(2) Stärkung von Grundlagen- und Versorgungsforschung durch erleichterten Zugang zu Daten (Routinedaten, Studiendaten, Registerdaten) unter Mitwirkung von Ärzten und Ärztinnen und Apotheken bei angemessener Aufwandsentschädigung

(3) Schaffung eines nationalen, staatlich geförderten Kompetenzzentrums für Cannabis zu medizinischen Zwecken, um den Informations- und Datenaustausch relevanter Akteure und die internationale Kooperation bestehender Fachgesellschaften und Forschungsgruppen in diesem Bereich zu fördern.

Zu § 24, Kinder- und Jugendschutz im öffentlichen Raum

Cannabispatientinnen und -patienten dürfen nicht mit Cannabiskonsumentinnen und -konsumenten für den Freizeitgebrauch (oder gar Rauchern) gleichgesetzt werden. Das Verbot des Konsums von Cannabis zu medizinischen Zwecken in bestimmten Bereichen des öffentlichen Raums ist unverhältnismäßig und diskriminierend. Der VCA fordert daher die Streichung des § 24 in seinem Wortlaut “§ 5 Absatz 2 des Cannabisanbaugesetzes gilt entsprechend, wenn Cannabis zu medizinischen Zwecken im öffentlichen Raum mittels Inhalation angewendet wird.”

Durch die Legalisierung von Cannabis darf es nicht zu einer Verschlechterung in der Versorgung von chronisch schwer kranken Patientinnen und Patienten kommen. Dazu gehört auch die Möglichkeit der Einnahme der Medikation Cannabis im öffentlichen Raum.

Quellen:

https://cannabiswirtschaft.de/wp-content/uploads/2023/05/Verbaendepapier-Handlungsempfehlungen-Medizinalcannabis-17.05.2023.pdf
https://vca-deutschland.de/blog/cannabis-legal-patient-innen-egal

Oberhausen, 27.10.2023